Rodelverein

Swarovski-Halltal-Absam

seit 1904

Willi Wirtenberger - Ein Jahrhundert engagierten Lebens

Am 20. August feiert unser ältestes Vereinsmitglied Willi Wirtenberger seinen 100. Geburtstag – und blickt dabei auf 77 Jahre Rodelvereinstreue zurück. Zehn Viertausender, rund achtzig Dreitausender, unzählige Touren von Slowenien bis Frankreich: Willi war immer mit Herz und Steigeisen unterwegs. Ob als leidenschaftlicher Bergsteiger, engagierter Bergwachtler oder treuer Weggefährte unseres Vereins.

Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg und aus der Kriegsgefangenschaft in Jugoslawien an Weihnachten 1948 war er im Grunde genommen ein Getriebener und wusste nicht so recht, was er nach seiner Rückkehr in seiner Freizeit machen sollte. Einer der wenigen Fixpunkte in seinem neuen Leben in der alten Heimat Tirol in Absam war jeden Mittwoch die Wattenrunde im Halltalerhof, dem damaligen Wohnzimmer und Sitz des Absamer Rodelvereins. Besonders elektrisierend waren ihm die wortgewaltigen Debatten der selbsternannten „Rodelexperten“: War nun die Weißnicht-Rodel der Halltaler oder doch die Gasser-Rodel der Matreier das Nonplusultra auf Eis und Schnee?

Besonders beeindruckt war er von der legendären Silvesterfeier 1948 im Halltalerhof, bei der den zwölf ältesten Mitgliedern des Rodelvereins feierlich eine Ehrenurkunde vom damaligen Bürgermeister Karl Zanger überreicht wurde – mit Handschlag, versteht sich! Spätestens da wusste er: Da muss ich dabei sein! Nicht nur wegen der Urkunden (obwohl die auch was hermachten), sondern vor allem, um bei den Vereinsmeisterschaften am 23. Januar 1949 mitrodeln zu dürfen – von der III. Ladhütte bis zum Hackl im Halltal, versteht sich. 

Am Stefanie-Tag des Jahres 1950 bestritt Willi seinen letzten großen Auftritt bei der Vereinsmeisterschaft der Halltaler. Kurz vor dem Ziel wurde ihm ein tückischer Hopper zum Verhängnis – Willi schätzte ihn falsch ein, hob ab und segelte samt Rodel durch die Luft und krachte spektakulär zu Boden. Seine Rodel überlebte den Flug nicht, doch Willi bewies Sportsgeist: Mit dem, was noch von seinem Gefährt übrig war, rutschte er tapfer beim Hackl durchs Ziel. Von den Ergebnissen beider Wettbewerbe – dem Rodeln und dem Kunstflug – existieren heute leider keine Listen mehr. Fest steht jedoch: Fürs Podest hat’s diesmal nicht gereicht. Aber für die Vereinsgeschichte war’s ein Volltreffer!

Die Berge – eine ewige Liebe
Nach einem kurzen Abstecher beim Radlverein Absam kehrte Willi schließlich doch wieder dorthin zurück, wo sein Herz schon immer hingezogen wurde – in die Berge. Schon als 15-Jähriger war er gemeinsam mit seinem Cousin der Alpenvereinsjugend beigetreten. Damals schnupperte er nicht nur Höhenluft, sondern auch erste Erfahrungen in den Kursen des Roten Kreuzes – obwohl er dem Rodelverein weiterhin die Treue hielt. „Das Gemeinste war ja“, schmunzelt Willi, „dass die Jahreshauptversammlungen vom Rodelverein und von der Bergrettung ausgerechnet am selben Abend stattfanden!“ Die Entscheidung fiel ihm nicht leicht – und doch war sie klar: „Ich habe mich für die Bergrettung entschieden. Die Berge waren halt immer mein Herzensanliegen.“ Dazu kam: Viele seiner alten Kameraden waren aus dem Krieg nicht zurückgekehrt. Und die wenigen, die noch da waren – die traf man bei der Bergrettung. So wurde Willi 1953 erneut Mitglied beim Alpenverein und schloss sich der Bergrettung an – seiner alten, unvergessenen Liebe folgend.

Das Rodeln nie aus dem Blick verloren
Auch wenn Willi beruflich ordentlich eingespannt war – im Turnusdienst im Halltaler Kraftwerk bei der Walderbrücke sowie im alten und neuen Kraftwerk in Volders – das Rodeln hatte er nie ganz abgeschrieben. Anfang der 1980er Jahre, als die ersten Ideen für die Rodelhütte aufkamen, war sein Interesse am Rodelverein plötzlich wieder hellwach. Kein Wunder – als begeisterter Unterstützer dieser Idee konnte er nicht widerstehen. Besonders charmant fand Willi den Gedanken, dass man nicht mehr ewig bis zur St. Magdalener Hütte oder gar zu den Herrenhäusern stapfen müsste, nur um endlich rodeln zu dürfen. Neugierig wie er war, ließ ihn auch die geplante „kürzere Rodelbahn“ neben der Halltaler Bahn nicht kalt. „Ich weiß noch genau, wie ich damals fragte: Wie kommt man eigentlich zum Starthaus, wenn man nicht direkt über die Rodelbahn hinaufwill. Doch aus dem Versprechen, dass in naher Zukunft ein entsprechender Weg angelegt werden sollte, ist bis heute nichts geworden“.

Hohes soziales Engagement – das Bettelwurfkreuz
Neben seinen beruflichen Verpflichtungen war Willi mit Leib und Seele bei der Bergrettung engagiert und bekannt für seine ganz besonderen Unternehmungen am Berg. Legendär bleibt sein Einsatz für das Bettelwurfkreuz – ein Herzensprojekt mit viel Schweiß, Organisationstalent und einem Hauch von Abenteuer. Als der Sockel des ursprünglichen Gipfelkreuzes aus dem Jahr 1947 in die Jahre gekommen war und in den 1990er-Jahren Risse zeigte, war für Willi klar: Ein neues Kreuz muss her! Kurzerhand übernahm er die Leitung des Projekts und konnte drei beherzte Mitstreiter aus dem Verein der Alpensöhne für die Sache gewinnen. Die erste Idee, das Material in guter alter Bergsteigertradition händisch auf die 2.726 Meter hohe Bettelwurfspitze zu tragen, wurde recht bald – und wohl nicht ohne Seufzer der Erleichterung – verworfen. „Mir war klar, dass wir einen anderen Weg finden mussten“, erinnert sich Willi mit einem Schmunzeln. Und so kam Plan B zum Zug: Zwei Helikopterflüge, ermöglicht durch Sponsorengelder und mit tatkräftiger Unterstützung der Gemeinde Absam, machten das Vorhaben möglich. Seit 1997 thront das neue Kreuz nun stolz auf der Bettelwurfspitze. Das alte, ehrwürdige Gipfelkreuz bekam einen würdigen Platz nördlich der Bettelwurfhütte – aufgestellt vom damals 72-jährigen Willi persönlich. Und als wäre das nicht schon bemerkenswert genug, erklomm er mit 91 Jahren noch einmal die rund 1.000 Höhenmeter vom Bettelwurfeck zur Hütte – nicht für ein neues Projekt, sondern um ganz einfach seine Freunde zu besuchen: Christian, den Südtiroler Hüttenwirt, und dessen Schwester Maria.

Noch heute lebt Willi Wirtenberger weitestgehend selbstbestimmt in seinem in den 1960er Jahren erbauten Haus in der Daniel-Swarovski-Straße in Absam. Und noch immer funkeln seine Augen mit einem Strahlen, das man seinem stolzen Alter so gar nicht zutrauen würde. Willi Wirtenberger, der mit seinem begeisternden, erfüllten Leben in sich ruht und das biblische Alter locker hinter sich gelassen hat.